Yin Yoga wirkt: Warum und Wie

Yin Yoga wirkt: Warum und Wie

Yin Yoga ist eine Praxis des Verweilens. Sie bietet den Rückzug nach Innen und lädt ein, zu beobachten und zu lauschen. Yin Yoga ist eine verkörperte Form der Meditation. Es ist eine schlichte Praxis, für die es nicht viel braucht, die aber genau deswegen eine Herausforderung sein kann. Es ist nicht immer leicht, minutenlang in den Positionen zu bleiben, zur Ruhe zu kommen und Anspannung zu lösen. Es bedarf Vertrauen, sich der Schwerkraft hinzugeben und die Kontrolle loszulassen,  bewusst die innere Pausetaste zu drücken und dabei sich selbst zu begegnen – weitgehend frei von äußeren Impulsen und Stimulation.  

In einer Zeit, die zunehmend herausfordernder, dynamischer und unbeständiger wird, erfährt Yin Yoga immer mehr Popularität. Wenn unser Leben sehr stressig, schnell und damit sehr im Yang ist, können wir bewusst mit Yin Yoga gegensteuern.  

Yin Yoga ist zudem eine wunderbare Ergänzung zu dynamischen Yogastilen, bei denen die innere Wärme sowie die Dehnung und Kontraktion der Muskeln im Vordergrund stehen.  

Ich selbst kann aus langjähriger Praxiserfahrung schöpfen und bestätigen, wie heilsam und nährend dieser von Paul Grilley und Sarah Powers entwickelte Yogastil auf mich wirkt. Aus meiner Sicht wirkt die Praxis auf drei Ebenen, die man jeweils einzeln betrachten kann. Letztendlich sind diese Wirkungsebenen jedoch miteinander verbunden.  

 

Körperlich: Stimulation des tiefen Bindegewebes 

Mit Yin Yoga stimulieren wir unser tiefes Bindegewebe wie die Bänder, Sehnen und Knochen. Wir fokussieren uns auf das tiefe Bindegewebe in und um die Muskulatur und vor allem unsere Gelenke. Mit funktional ausgerichteten Positionen werden bestimmte Areale und damit unser Gewebe im Körper sowohl über Dehnung als auch über Kompression stimuliert. Das bewirkt Stärkung, Vitalität, Hydrierung und Widerstandsfähigkeit des Bindegewebes.  

 

Energetisch: Freier, harmonischer Qi-Fluss 

Das Ziel der Yin Yoga Praxis auf energetischer Ebene ist, einen freien und harmonischen Energiefluss zu kreieren. Wenn das Qi frei fließt, fühlen wir uns wohl, zufrieden und entspannt. Durch die Linse der Traditionellen Chinesische Medizin (TCM)betrachtet, fließen durch unsere Faszien sogenannte Energieleitbahnen (Meridiane). Wenn wir diese über mehrere Minuten stimulieren, kann dies uns darin unterstützen, energetische Blockaden zu lösen und gestaute Energie wieder zum Fließen zu bringen. Einer der Gründe für stagniertes Qi ist Stress in Verbindung mit einem ungesundem Lebensstil.  

 

Mental: Die Praxis des Empfangens  

Das Ziel des Yin-Ansatzes auf mentaler Ebene ist, Ruhe und Klarheit gegenüber unserer inneren Welt zu kultivieren und diese Qualitäten in unser Leben zu bringen. Yin Yoga ist eine relativ passive Praxis, in der wir weniger tun und dafür mehr empfangen. So lädt Yin Yoga uns bewusst dazu ein, unsere Yin-Seite zu nähren und sogenannte Yin-Qualitäten wie zum Beispiel Akzeptanz, Gelassenheit und Sanftheit wie einen Muskel zu trainieren. Diese Yin-Qualitäten werden von unserer westlichen, eher Yang-dominierten Kultur oft unterbewertet. Doch wer gelassener und entspannter durchs Leben geht, kann unabänderliche Situationen schneller akzeptieren, kennt seine Grenzen und kann einfacher annehmen und loslassen.  

 

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So übst du richtig – Vier Hauptprinzipien  

Yin Yoga ist eine relativ schlichte Praxis. Du übst muskulär entspannt im Liegen oder im Sitzen am Boden und gibst dich der Schwerkraft hin. Das wichtigste Hilfsmittel ist die Zeit, die du dir in den Positionen gönnst. Hier gebe ich dir einige Tipps, wie du richtig praktizieren kannst. 

 

  1. Angemessene Intensität: Praktiziere achtsam und höre gut auf deinen Körper. Wir suchen moderate Dehnungen und Kompressionen. Lass den Ehrgeiz beiseite und finde in jeglicher Hinsicht eine angemessene Intensität in den Yin-Asanas. Es gilt das Prinzip „Weniger ist mehr“.
  2. Zeit ist wichtiger als Intensität: Im Yin Yoga geht es darum, länger in den Positionen zu bleiben, da sie erst dann wirklich ihren Effekt bringen. Richte dich so aus, dass du in angemessener Intensität (moderat, aber spürbar) für einige Minuten verweilen kannst. 
  3. Entspanne deine Muskeln: Auf muskulärer Ebene gilt es loszulassen, damit du das tiefe Bindegewebe erreichst. Du musst nicht alle Muskeln des Körpers entspannen, aber ziele an, vor allem in dem Bereich zu entspannen, den du in der jeweiligen Position dehnst (z.B. die Gesäß-Muskeln im Schwan). 
  4. Verweile in Stille: Lass deinen Körper in der Asana zur Ruhe kommen und vermeide unnötige unruhige Bewegungen. Gleichzeitig erlaube dir aber auch jederzeit etwas an deiner Ausrichtung zu ändern, tiefer zu gehen oder etwas herauskommen. 

 

Viel Freude beim Üben. 

 



Wie wir erwachen – Bandhas im Yoga

Im Hatha-Yoga geht es um die erfahrbare Einheit oder Zusammenführung von vermeintlich entgegengesetzten Kräften, um die Synergie, das gemeinsame Wirken der Polaritäten – oder einfach um Harmonie.

 

Diese Harmonie erlernen wir in dem Raum, der für uns das Gefäß unserer Wirklichkeit bildet: Der Körper und unser damit verbundenes Bewusstsein. Wer Freude erfährt weiß, da ist Freude in der Welt. Wer Schmerz erfährt weiß, da ist Schmerz in der Welt. Wer Harmonie oder Konflikt, Widerstand oder Reibung, wer Fluss und Verhältnismäßigkeit, Rhythmus und Ordnung, Kraft und Gnade im ehrlichsten aller Räume, dem tatsächlichen physisch-geistigem Selbst erfährt, erkennt diese auch in der Welt. Das ist der Grundstein der möglichen Einheit, oder „Samadhi“, oft übersetzt mit Erleuchtung aber doch einfach wörtlich „gleich sein wie das Höchste, oder das Erste, oder das Eine“.

Pranayama ist die direkte, experimentelle Auseinandersetzung mit diesen Kräften. Und Bandha das Instrumentarium der groben zur feineren Justierung. Wie der Gärtner lernt mit der Natur zu agieren, den Zeitzyklen und Lebensrhythmen, Temperatur und vor allem ein Verständnis der Verhältnismäßigkeit von Hitze und Feuchtigkeit, lernt der Praktizierende diese entsprechenden Prinzipien im eigenen Garten, im eigenen Körper.

Unser Körper ist in der Anlage allen anderen wachsenden Lebensformen naturgemäß sehr ähnlich. Wir brauchen entsprechende Bedingungen, um zu gedeihen. Für unsere Blüte brauchen wir die besten Zutaten, daher ist das erste „Bandha“ oder Schlüsselprinzip die Ernährung. Die Auseinandersetzung damit, woher unsere Nahrung kommt, was die Produktion mit sich bringt, ob dies im Verhältnis mit einer größeren Ordnung geschieht, u.a. weil beispielsweise eine Ernährung, die auf Kosten der Gesundheit anderer Wesen oder gar der Balance eines ganzen Planeten geht, offensichtlich und konsequenter Weise nicht gesund sein kann, oder eben den Lebenskräften nicht zuträglich. Leben ist im Kontext des Yoga nie Singular. Leben ist immer das Ganze, und wir eben ein Teil davon. Individuelle Gesundheit kann daher nur im Einklang mit dem Wohlergehen aller Wesen verstanden werden.

Der nächste Schritt ist die Verfeinerung der Wahrnehmung der grundlegenden Bewegungen der natürlichen Kräfte. Gravitation – Levitation. Jede Tat, jede Anwendung unserer kreativen Kräfte ist immer erdgebunden und verstärkt die Tendenz der Gravitation. Oder: die Tat ist ursächlich für die Wirkung in dem Maße, wie sie tatsächlich angewandt wird.

Die menschlichen Kräfte, die sich so äußern, nannten die Yogis „Tejas“. Wenn diese Kräfte jedoch in ihrer Absicht einem feinerem, evtl. selbstloserem Handeln gewidmet werden, wenn sie im Dienst einer weniger individuellen Erfüllungsebene stehen, befruchten diese Kräfte keine physische Reaktion, sondern spirituelles Wachstum und werden „Ojas“ genannt. Dieser Wandel unserer Handlungs- und Wirkungsordnung ist wohl der wichtigste Schritt auf dem Yogaweg.

Einfach gesagt: alles Unbewusste neigt sich zur Erde, alles Bewusste erhebt sich zum Licht, jedoch mit und aufgrund bewusster irdischer Wurzeln.

 

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Dieser Prozess kann nicht rein gedanklich vollzogen werden. Mula-Bandha, oder Wurzelschleuse, die Aktivierung des Beckenbodens und der damit veränderte Atemfluss, sowie der Temperatur im Bauchbereich ist Voraussetzung für diesen Wandel.

Die Ein- und Ausatmung treffen sich in den Pausen dazwischen; die rechte Sonnenseite der Atmung trifft die linke Mondseite, die linke oder rechte Nasenöffnung, der linke und rechte Lungenflügel, oder unsere Hirnhälften treffen sich im Prinzip der Einheit: An der Basis der Wirbelsäule. Durch die Aktivierung der Muskulatur im Beckenboden und darüber, ganz physisch. Da wir keinen direkten Zugang zur Moderation der eben genannten Dualität haben, nutzen die Yogis Hebel. Öffnen und schließen der verschiedenen Kanäle, Verdichtung oder Weitung des Atemflusses, Konzentration oder Entspannung, Hitze oder Abkühlung der Gefäße bewirkt einen Wandel der intrinsischen Alchemie.

Wenn so also die Richtung unserer Kräfte bewusst geführt wird, streben die Pranas als Ojas, von der Basis der Wirbelsäule nach oben zum Herzen. Auf diesem Weg, so wie auf jeder wirklichen Reise gibt es Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Vor allem steht uns unsere konditionierte Wahrnehmung der eigenen Person in der Welt im Weg. Meinten wir eben noch, wir müssten uns als Person optimieren, z.B. für Märkte aller Art (Heirats-, Arbeits,- Sozial,- Aktien,-) erkennen wir, dass die Reise und unser Wachstum nicht dort stagnieren sollten, und eigentlich darüber hinaus in einer herzlichen, integrativen Weise mit einer größeren Ordnung als der eigenen Agenda assoziiert werden können. Um diese Knoten des Egos – die Yogis nennen diese „Granthi“ – zu lösen, nutzen wir den nächsten Hebel: Uddiyana Bandha.

Anatomisch ist es eine gezielte Kompression des unteren Bauchbereichs, jedoch nicht durch Aktion, sondern durch passives Zulassen einer Bewegung des Zwerchfells, die durch eine Vakuum-Suppression des Brustkorbs bei der Ausatempause entsteht. Einfacher ausgedrückt, durch das Loslassen der abdominalen Muskulatur in der Ausatempause bei gleichzeitiger Kontraktion des Beckenbodens (Mula Bhandha), schießt Prana praktisch durch den Widerstand aller weltlichen Anhaftungen und strömt höher, ins Herz.

Das Herz ist der Ort, in dem wir unser weltliches und spirituelles Leben verbinden lernen. Damit jedoch die Kräfte nicht ungeordnet über das Herz hinaus in unser universelles Sein fliehen, blockieren wir den Weg des Prana und lenken es in die feineren Regionen unserer Psyche, letztlich um eine letzte wirkliche Klärung dieser Kräfte zu erlangen.

Diese Blockade, oder Schleuse oder Reinigung, findet um unser „Vishuddha Chakra“ statt, die Schnittstelle unserer geistig-herzlichen Kommunikation, eben dem Bereich zwischen Kopf und Herz, dem Hals. Hier üben wir Jalandhara Bandha, dass ich gerne mit Wolkensammeln übersetze. So wie die Wolken kumulieren, und erst bei entsprechender Dichte abregnen, sammeln wir das Prana im Hals und lassen die Essenz in unser Herz „regnen“.

Nur der feinste Teil jedoch darf nun über den entstandenen Pfad in die höchsten Bereiche unseres Selbst vordringen. Dort, wo nicht mehr der Gärtner entscheidet, sondern nur noch die Natur, und der Gärtner ein Teil dieser ist.

Darüber hinaus gibt es tatsächlich nicht viel zu sagen, denn das da für jeden individuell Erfahrbare ist nicht sagbar in Worten. Und alle, die es erfahren, berichten nicht vom Ort, sondern vom Gefühl: Da ist nur Liebe. Diese Liebe hat alle und keinen Namen und das Licht dieser Liebe hat viele Formen. Wie die unterschiedlichen Strukturen auf dem Mond das Sonnenlicht auf ihre besondere Weise reflektieren, so reflektieren alle Seelen dieses Licht auf ihre ganz eigene Weise.

Die Yogis wollen vor allem und zu allen Zeiten mit diesem Licht verbunden sein. Daher binden sie ihr Bewusstsein an dieses Licht; vielleicht wollen wir es Brahma nennen. Dieses Brahma-Bandha ist so das wohl wichtigste und umfassendste der Prinzipien der Reifung des menschlichen Potenzials, wenn auch das individuellste und wohl schwierigste.

Doch, wie in jedem Garten gibt es bessere und weniger gute Jahre. Daher sollten wir vor allem mit beständigem Enthusiasmus die Gesetze lernen und Erkenntnisse ordnen, ohne ein persönlicher oder zeitlicher Anspruch auf eine bestimmte Erfahrung. Wer je einen Garten gepflegt hat, weiß sicher: Es braucht Geduld und Widmung, und wie immer, ein bisschen Liebe. Damit wir folgendes nie vergessen: Wir und alle Wesen an allen Orten sind schon ein Garten. Und wir haben eine liebende, geduldige Gärtnerin.

Erkenntnis ist vor allem: Vertrauen.

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